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Ein Signal für neuen Mut

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Datum

02. Januar 2018

Das Motto darf nicht 08/15, sondern muss jetzt 18–3838 heißen! Die Farbengurus der Firma Pantone haben die Farbe des kommenden Jahres gekürt: Nach Rosenquarz im Jahr 2016 und Gelbgrün 2017 fällt die Wahl für 2018 auf einen Farbton mit deutlichem Signalcharakter: „18–3838 Ultra Violet“. Das stehe für Originalität, Einfallsreichtum und visionäres Denken, heißt es. Es spiegle wider, was in der aktuellen Lage weltweit dringend gebraucht wird.

Oha! Visionen, Experimentierfreude, Denken außerhalb gesetzter Konventionen? – Ist es nicht etwas, was wir uns derzeit in einem Land wünschen, das ein Vierteljahr nach der Bundestagswahl noch immer keine neue Regierung hat?

Noch bevor unsere Prognos-Volkswirte die Weihnachtsgeschenke für ihre Familien eingepackt haben, haben sie ein lilafarbenes Investitionspaket für Deutschland geschnürt. Der Inhalt: 120 Milliarden Euro samt einer Anleitung, wie das Leben zwischen Rügen und Zugspitze mit dieser Finanzspritze bis zum Jahr 2025 besser wird, fortschrittlicher, zukunftsorientierter.

Drei Beispiele gefällig, was unter anderem mit den rund 15 Milliarden Euro pro Jahr zu machen wäre? Erstens: Digitalisierung. Wenn es ums Internet geht, ist Deutschland vielen anderen Industriestaaten weit hinterher. Zu lange hat die Berliner Politik den Ausbau der digitalen Infrastruktur den Telekommunikationsbetreibern überlassen. Die aber investieren nachvollziehbar vor allem dort, wo sie mehr Geschäft machen: in dicht bevölkerten Regionen. Auf dem Land dagegen rentiert sich das oft nicht.

Viele Haushalte verfügen über so quälend langsame Datenverbindungen, dass die Browser das Laden von Webseiten nicht selten wegen Zeitüberschreitung abbrechen. Und für innovative Unternehmen, die hierzulande nicht nur in Ballungszentren sitzen, wird ihr Standort mehr und mehr zum Wettbewerbsnachteil. Deutschland braucht endlich schnelles Internet für alle. Unsere Volkswirte planen für den umfassenden Ausbau pro Jahr zehn Milliarden Euro ein.

Zweitens: Bildung. Über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird seit Jahren diskutiert. Dennoch gibt es immer noch reichlich Handlungsbedarf. Wer Mutter oder Vater von Schulkindern ist und einen Job hat, befindet sich häufig in einem Dilemma. Wer in Vollzeit arbeitet, kann seine Kinder nicht optimal fördern. Und wer die Chancen seiner Kinder verbessert, kann die Möglichkeiten im Beruf nicht richtig nutzen.

Dieser Zwiespalt erzeugt eine hohe Spannung zwischen Eltern und Arbeitgebern, der kraftraubend für beide Seiten ist. Mag sein, dass wir deshalb endlich einen stärkeren Wettbewerb unter Arbeitgebern darum brauchen, wer das familienfreundlichste Umfeld bietet. Bis dies Realität wird, können wir in unserer Halbtagsschullandschaft schon mal etwas gegen die Lücken in der Nachmittagsbetreuung von Grundschülern tun: Zum Beispiel mit 280 000 neuen Hortplätzen. 175 Millionen Euro würde das pro Jahr kosten.

Drittens: Klimaschutz. Hier klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Während wir uns international gerne als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel sehen, scheitern wir zu Hause regelmäßig an den selbst gesteckten Zielen. Einer der Gründe dafür: Im Autoland Deutschland sinken die Treibhausgasemissionen des Verkehrs lediglich in homöopathischen Dosen. Das liegt auch daran, dass wir nur unzureichend für alternative Antriebe gerüstet sind.

Während die Fahrer von Elektroautos im Ausland teilweise staufreie Sonderspuren für Busse nutzen dürfen oder keine Parkscheine ziehen müssen, haben wir selbst in den größten deutschen Städten nicht genügend Möglichkeiten, die Batterien wieder aufzutanken. Der Zusammenhang ist simpel: Da es nur wenige Ladesäulen gibt, verkaufen sich Elektroautos schlecht. Und weil es so wenige Elektroautos gibt, lohnt der Betrieb der Steckdosen nicht. 40 000 neue Ladesäulen könnten endlich eine funktionsfähige Basis für die Energiewende im Verkehr schaffen. Kosten pro Jahr: 100 Millionen Euro.

Ob umgesetzt von einer Großen Koalition, einer Minderheitsregierung oder einer wie auch immer gearteten Regierung nach Neuwahlen – diese Investitionen würden die Voraussetzungen deutlich verbessern, dass wir die Herausforderungen aus diesen drei Megatrends bestehen können. Das sollte der Neujahrsvorsatz einer neuen Regierung für 2018 sein. In diesem Sinne braucht es eine Koalition der Inhalte – unabhängig von den tatsächlichen Parteifarben: Lila als ein klares Signal für kreativen Mut zu langfristig angelegter Politik.

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