Q&A: Bezifferung von Klimafolgekosten in Deutschland

Bezifferung von Klimafolgekosten in Deutschland

1. Welche Rolle hatte Prognos bei der Erstellung der Studie?

Die Studie „Bezifferung von Klimafolgekosten in Deutschland“ bestand aus drei Teilen, für die jeweils ein Projektpartner verantwortlich war:

1.) Konzeptionelle Grundlagenarbeit zur Systematisierung und Einordnung von Klimawandel- und Extremwetterschäden (Verantwortung: IÖW)

2.) Rückblickende Analyse vergangener Extremwetterschäden in Deutschland seit 2000, sowie Detailuntersuchungen zu zwei Einzelereignissen (Verantwortung: Prognos)

3.) Szenarienbasierte Analyse (keine Prognose) möglicher zukünftiger klimawandelbezogener Schäden für die deutsche Volkswirtschaft (Verantwortung: GWS)

2. Wer hat die Studie beauftragt?

Die Beauftragung und Betreuung erfolgte im Januar 2021 durch das damalige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUV) nach einem europaweiten Ausschreibungswettbewerb. Im Zuge der veränderten Ministeriumsstrukturen nach der Bundestagswahl wechselte die Zuständigkeit ab September 2022 in das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). 

3. Die Studie spricht von 145 Milliarden Euro entstandener Kosten durch Extremwetterereignisse. Was sagt die Zahl aus – und was nicht?

Die von uns im Rahmen der Studie errechneten 145 Milliarden Euro geben die Höhe der extremwetterbedingten Schäden in Deutschland seit dem Jahr 2000 an. Der Großteil der Extremwetterereignistypen, wie bspw. Hitze- und Dürreereignisse, aber auch das Auftreten von Starkregen, kann mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden. Eine abschließende Beurteilung, welchen Einfluss der Klimawandel auf vergangene einzelne Extremwetterereignisse hatte (ob er die Intensität oder die Auftrittswahrscheinlichkeit erhöhte) muss jedoch mithilfe der sogenannten Attribution für jedes Einzelereignis erfolgen. Daher kann nicht jeder Euro, der als extremwetterbedingter Schaden ermittelt wurde, gleichzeitig eindeutig dem fortschreitenden Klimawandel zugeordnet werden.

Für die im Rahmen der Untersuchung detaillierter beleuchteten Einzelereignisse der Hitze und Dürre 2018 und 2019 (ca. 35 Milliarden Euro) sowie der Sturzfluten an Ahr und Erft im Juli 2021 (ca. 40 Milliarden Euro), die einen Großteil der ermittelten Schäden ausmachen, liegt eine solche Attribution vor.

4. Welche Aspekte des Klimawandels werden in den Detailstudien berücksichtigt?

Die Detailuntersuchungen orientieren sich an der Liste der über 100 Klimawirkungen aus der Klimawirkungs- und Risikoanalyse für Deutschland aus dem Jahr 2021. In einem aufwändigen Verfahren haben wir diese nach verschiedenen Gesichtspunkten (u. a. Wesentlichkeit, Operationalisierbarkeit, Datenlage, Erhebungsaufwand) priorisiert bzw. gefiltert.  

Für die Ermittlung der Hitze- und Dürreschäden hat Prognos vier Klimawirkungen als volkswirtschaftlich relevant und verlässlich abbildbar ermittelt:

1.) Ernteverluste in der Landwirtschaft

2.) Produktionsverluste in der Forstwirtschaft

3.) Verluste in der Klimaschutzleistung der Forstwirtschaft

4.) Hitzebedingte Minderung der Arbeitsproduktivität

Für die Ermittlung der Sturzflutschäden des Jahres 2021 haben wir das in zahlreichen bereits bestehenden Untersuchungen ermittelte Gesamtschadensausmaß (u. a. die offiziellen Regierungsberichte zur Katastrophe) mithilfe von Medienberichten und weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen anderer Institute zu Einzelschäden, sowie im Einzelfall statistischen Näherungsverfahren auf einzelne Kategorien und Klimawirkungen heruntergebrochen, um zielgerichtetere Aussagen zu Betroffenheiten machen zu können. Somit konnten wir auch die indirekten Effekte der Flut zielgerichteter ermitteln.

Zu allen untersuchten Ereignissen wurden erstmals auch systematisch indirekte Folgeeffekte der Extremereignisse (bspw. durch ausbleibende Lieferungen oder Verteuerungen von Produkten) in die Schadensstatistiken mitaufgenommen.

5. Wo kommen die Daten der Schadensübersicht her?

Für die Erstellung der gesamten Schadensübersicht hat Prognos zahlreiche nationale und internationale Datenbanken ausgewertet, die Einzeldaten zu vergangenen Extremereignissen zusammenfassen. Diese Datenpunkte haben wir konsolidiert und auf Kohärenz überprüft sowie durch eine umfassende Desktop-Recherche ergänzt. Einzelne Datenlücken haben wir auf Basis statistischer Näherungswerte geschätzt.

6. Welche Aspekte des Klimawandels bleiben in der Studie noch unbeleuchtet?

Nicht in die Betrachtung miteinbezogen werden konnten Klimawirkungen, über deren Zusammenhänge und Quantifizierungsmöglichkeiten große methodische Unsicherheiten oder Wissenslücken bestanden – beispielsweise Auswirkungen auf die Biodiversität bzw. deren Folgeschäden. Es ist also anzunehmen, dass die tatsächlich aufgetretenen Extremwetterschäden noch über den berechneten 145 Milliarden Euro liegen.

7. Hat Prognos seine Ergebnisse überprüfen lassen?

Während der gesamten Bearbeitungszeit fand ein intensiver peer-review-Prozess mit renommierten Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen der Klimawandelforschung statt. Vertreten waren hierbei beispielsweise das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, die Hochschule Fulda, der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, das Climate Service Center Germany (GERICS) sowie das Umweltbundesamt.

8. Warum unterscheiden sich die Zahlen der Schäden für Einzelereignisse häufig von früheren Untersuchungen?

Die Angaben in den Schadensdatenbanken enthalten lediglich den direkten, durch das Ereignis aufgetretenen Schaden. Nach der Konsolidierung der Einzeldaten für die relevantesten Extremereignisse haben wir zudem die indirekten Schäden (bspw. entlang von Wertschöpfungsketten) ermittelt. Zusätzlich fand eine Inflationsbereinigung auf das Jahr 2021 statt, um die einzelnen Ereignisse miteinander vergleichen zu können.

9. In den Extremwetterereignissen seit 2000 wurden nicht nur Häuser und Infrastruktur zerstört, es sind auch Menschen dabei umgekommen. Warum tauchen sie in den ökonomischen Berechnungen der Schäden nicht auf?

Eine Quantifizierung der ermittelten Todesfälle haben wir bewusst nicht vorgenommen, da wir aus moralisch-ethischen Gründen Menschenleben nicht monetär bewerten wollen.

Abgesehen davon bestanden große methodische Unsicherheiten in der Durchführung der Analysen, da verschiedene Bewertungsansätze zu einer sehr großen Spannweite der ökonomischen Auswirkungen geführt hätten. Da somit eine Verwässerung der Ergebnisse zu befürchten gewesen wäre, die auch der Bedeutung der gesundheitlichen Folgewirkungen von Extremereignissen (v. a. Hitze- und Dürreereignissen) nicht gerecht würde, haben wir in Absprache mit dem BMUV und dem BMWK auf eine Quantifizierung verzichtet.

10. In der Studie steht, dass zukünftige Klimaschäden bis 2050 900 Milliarden Euro kosten werden. Woraus ergibt sich diese Zahl?

Die vom Projektpartner GWS erstellte Szenarioanalyse zeigt, welche Schäden der fortschreitende Klimawandel für Deutschland bis 2050 verursachen kann. Dabei wurde sich verschiedener Szenarien (schwacher, mittlerer, starker Klimawandel) bedient, die alle mit unterschiedlichen Annahmen (bspw. Veränderung der Verbraucherpreise, der Produktivitätsfunktionen und weiterer volkswirtschaftlicher Stellschrauben) arbeiten. Diese Annahmen wurden in ein volkswirtschaftliches Modell eingestellt, um für ein solches Szenario fundierte Aussagen zu den ökonomischen Auswirkungen treffen zu können. Die in der Untersuchung betrachteten Klimawirkungen basieren auf der Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Jahres 2021 des Umweltbundesamtes. Weitere Informationen zum methodischen Vorgehen in diesem Teil der Studie finden sich auf der Projektwebseite der GWS.