I Die Ergebnisse 1. Was sagt unsere Studie aus – und was nicht? Die Studie liefert der BNetzA einen von mehreren möglichen Datenpunkten, die diese nach eigenem Ermessen für ihre Abwägung im Fall einer Gasmangellage in Deutschland heranziehen kann. Die verwendeten Kriterien sind nicht die einzigen, die die BNetzA heranzieht – deshalb liefert die Studie keine „Reduzierungs-/ Abschaltreihenfolge“. 2. Welche Annahmen sind maßgeblich für das Studienergebnis und wie stabil sind sie? Im Mittelpunkt des von der BNetzA vorgegebenen Untersuchungsgegenstands steht die Überlegung, dass die Bevölkerung auch bei einer Gasmangellage mit besonders schützenswerten (lebenswichtigen) Gütern und Dienstleistungen versorgt werden soll. Die Definition dessen, was als „schützenswertes Gut“ gilt, liegt nicht im Ermessensrahmen von Prognos, sondern in öffentlicher Hand. Deshalb treffen wir – gemäß des von der BNetzA vorgegebenen Auftrags – die Annahme, dass die Güter und Dienstleistungen besonders schützenswert sind, die in der Liste „Kritische Infrastrukturen – Sektoren- und Brancheneinteilung“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) dargestellten Zwecken dienen. Im Jahr 2011 haben sich Bund und Länder auf diese einheitliche Einteilung der Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) in Sektoren verständigt. Erst 2021 wurde die Liste um die Siedlungsabfallentsorgung ergänzt. Sie ist also sehr stabil. Daneben sind die Input-Output-Beziehungen der verwendeten Datenbank „Exiobase“ eine wichtige Annahme. Diese Datenbank ändert sich ebenfalls nicht kurzfristig in ihren Strukturen. Somit halten wir unsere Ergebnisse für robust. Exiobase wurde durch das Europäische Forschungsrahmenprogramm finanziert und von einem Konsortium bestehend aus verschiedenen Forschungsinstitutionen entwickelt. Im Kern ist Exiobase eine multi-regionale Input-Output-Tabelle, die Handelsverflechtungen zwischen einer Vielzahl an Ländern und Produktionsbereichen abbildet. 3. Wieso bezieht sich Prognos auf die Einordnung des BBK? Welche Möglichkeiten hätten noch bestanden? Die BBK-Liste, deren Nutzung die BNetzA in der Ausschreibung nahelegte, wurde zwischen Bund und Ländern abgestimmt und genießt daher eine hohe öffentliche Akzeptanz. Da das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) nur relativ grobe Vorgaben macht, war eine Präzisierung dessen, was in der Untersuchung als „schützenswert“, bedeutend oder lebenswichtig gelten soll, notwendig. Es liegt keine andere Branchenabgrenzung vor, die eine vergleichbare Akzeptanz hätte. 4. Ist es nicht recht subjektiv, was man als „lebenswichtig“ bezeichnet? Gerade weil jeder Mensch andere Präferenzen hat, war die Verwendung einer Grundlage mit hoher öffentlicher Akzeptanz wichtig. Die Alternative wäre, keine Priorisierung vorzunehmen. In diesem Fall wären alle Branchen, Produkte und Dienstleistungen gleich wichtig. Dies dürfte weder praktikabel noch sachgerecht sein. 5. Was heißt „Bedeutungsgrad“ und wie wird er berechnet? Der Bedeutungsgrad misst, inwieweit ein Produktionsbereich Leistungen für andere Produktionsbereiche erbringt, die besonders schützenswerte Produkte oder Dienstleistungen erzeugen. Er ergibt sich aus den wirtschaftlichen Verflechtungen der unterschiedlichen Produktionsbereiche. Ausführlich wird die Ermittlung auf S. 16 der Studie beschrieben. 6. Was sagt der Bedeutungsgrad (nicht) aus? Der Bedeutungsgrad sagt aus, inwieweit ein Produktionsbereich indirekt (als Lieferant von Vorleistungen anderer Branchen) zur Versorgung der Bevölkerung mit besonders schützenswerten Gütern und Dienstleistungen beiträgt. Er sagt nichts über die Bedeutung aus, die ein Mensch (subjektiv) einer bestimmten Branche beimisst. Ob und in welchem Maße der in der Studie definierte Bedeutungsgrad für die Entscheidungsfindung im Falle einer Gasmangellage herangezogen wird oder nicht, liegt allein in Händen der BNetzA. II Die Methode 7. In wenigen Worten: Wie ist das Projektteam vorgegangen? 1.) Analysen zum Gasverbrauch nach Branchen bzw. Produktionsbereichen 2.) Analyse der Wertschöpfungsketten aller Produktionsbereiche 3.) Definition von Schutzstatus und Bedeutungsgrad und Zuweisung zu den einzelnen Produktionsbereichen 4.) Untersuchung der Möglichkeit zur Substitution – schwerpunktmäßig durch Lieferungen aus dem Ausland 5.) Studie führt Ergebnisse zusammen und zieht Schlussfolgerungen 8. Was heißt „Komplexitätsgrad“? Der Komplexitätsgrad misst, wie schwierig es ist, ein Gut zu produzieren. Güter, deren Fertigung komplexere Arbeitsschritte oder Prozesse erfordern, erhalten einen höheren Indexwert als einfach zu fertigende Güter. Je höher der Komplexitätsgrad, desto komplexer die Arbeitsschritte innerhalb einer Wertschöpfungskette. Entsprechend schwieriger ist die Substitution von Arbeitsschritten – z.B. durch Vorprodukte aus dem Ausland – die für die Produktion dieser Güter nötig sind. Er misst aber nicht direkt, ob eine Substitution eines dieser Arbeitsschritte möglich ist. Im Einzelfall kann es alternative Anbieter auch von komplexen Gütern bzw. Vorleistungen geben, auch Güter aus Lagerhaltung können zum Einsatz kommen. 9. Warum hat Prognos mögliche Kosten einer Gasreduktion nicht betrachtet? Die Kosten von Maßnahmen bei den betroffenen Gasverbrauchern waren nicht Gegenstand des vorgegebenen Auftrags. Die Auftraggeberin hat jedoch im Rahmen der Sicherheitsplattform Gas nach eigenen Angaben die Möglichkeit geschaffen, die durch „ihr Eingreifen bei den Industriekunden entstehenden volkswirtschaftlichen wie auch betriebswirtschaftlichen Schäden so gering wie möglich zu halten.“ 10. Wieso hat Prognos innerhalb der Produktionsbereiche keine Einteilung vorgenommen? Beispiel Lebensmittel: Süßigkeiten sind weniger lebenswichtig als Brot. Als Methode war für diese Studie eine statistische Untersuchung vorgegeben. Bei dieser Methode sind Studienautorinnen und Studienautoren darauf angewiesen, dass glaubwürdige Statistiken zur Verwendung vorliegen. Häufig – so auch hier – ergeben sich hieraus Beschränkungen. Der in der Forschung übliche Anspruch einer statistischen Untersuchung ist dann, die bestmögliche Studie durchzuführen. Die verwendete Datenbank Exiobase hat hierfür einen wichtigen Beitrag geleistet: Sie gliedert die Wirtschaft in rund 200 Branchen, die zum Zweck des Abgleichs mit Energieverbrauchsdaten zu 78 Produktionsbereichen zusammengefasst wurden. Eine feinere Untergliederung war nicht möglich, da die Statistiken nicht mehr hergaben. 11. Warum hat Prognos die zeitliche Dimension außer Acht gelassen, beispielsweise dass bestehende Lagerstände temporäre Lücken überbrücken können? Da Lagerhaltung eine sehr individuelle Maßnahme ist, mit der Unternehmen ihre Produktion absichern können und keine belastbaren statistischen Daten vorliegen, war eine Analyse hierzu nicht möglich. 12. Warum hat Prognos keine Handelsdaten zur Bestimmung von Möglichkeiten zur Gütersubstitution genutzt? Handelsdaten zeigen das aktuell auf dem Weltmarkt verfügbare Angebot an Gütern. Ob diese für die eigene Produktion (neu) importiert werden können, ist nicht nachzuvollziehen. Zudem lassen Handelsdaten keine Aussage darüber zu, ob Wertschöpfungsprozesse, die zur Produktion eines Gutes nötig sind, substituiert werden können. 13. Warum wird in der Studie die Gasintensität berechnet? Die Berechnung der Gasintensität hilft, den Gasverbrauch von Produktionsbereichen unterschiedlicher Größe vergleichbar zu machen. Zum anderen ist die Gasintensität notwendig, um den Gasverbrauch in Wertschöpfungsketten bestimmen zu können. 14. Was genau sagt die Gasintensität aus? Die Gasintensität misst den Gasverbrauch je Einheit Output, und wird in Gigawattstunden je 1 Million Euro Wertschöpfung gemessen. Kleine Produktionsbereiche, die wenig Wertschöpfung generieren, haben in der Regel einen geringeren Gasverbrauch als große, wertschöpfungsstarke Produktionsbereiche. Unter Umständen benötigt ein kleiner Produktionsbereich aber mehr Gas je 1 Million Euro Wertschöpfung als der große Produktionsbereich, hat also eine höhere Gasintensität. Die Gasintensität eines Produktionsbereichs wird als Durchschnitt über alle darin enthaltenen Unterbranchen berechnet. 15. Warum wurde nicht zwischen Unternehmen unterschieden, die auf andere Energieträger ausweichen können und solchen, die das nicht können? Diese Information liegt nicht in auswertbarer Form vor. Es lassen sich auch keine Aussagen über diese Substitutionsmöglichkeiten machen, die für ganze Produktionsbereiche gültig sind (siehe auch Frage 12). III Der Hintergrund 16. Warum werden große Gasverbraucher nicht höher priorisiert als kleine? Aus Sicht der Bedeutung für die Bevölkerung kann auch ein kleiner Verbraucher lebenswichtige Güter oder Dienstleistungen produzieren (z. B. ein Hersteller von Medikamenten). 17. Warum hat Prognos die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht betrachtet? Die Folgen von Maßnahmen für die Wirtschaft waren nicht Gegenstand des Auftrags. Wegen der Komplexität der Wirkungszusammenhänge ist diese Fragestellung auch nicht einfach zu beantworten. 18. Warum sind Dienstleistungsunternehmen nicht mit einem Complexity Index versehen? Der Complexity Index wird von der Observatory for Economic Complexity (OEC) lediglich für produzierte Güter, aber nicht für Dienstleistungen und Rohstoffe ausgewiesen. 19. Was ist eine Input-Output-Matrix? Input-Output-Tabellen (IO-Tabellen) stellen die Lieferbeziehungen zwischen der letzten Vorleistungsstufe und dem Endproduzenten dar. Eine ausführliche Erläuterung dazu befindet sich auf S. 7 der Studie. Kontakt Fragen zur Studie sind zuerst an die Bundesnetzagentur zu richten: E-Mail: pressestelle@bnetza.de | Telefon: 0228 14 – 9921 Fragen zum Auftrag und Methodik können Sie an die Prognos AG richten: E-Mail: presse@prognos.com | Telefon: +49 30 58 70 89 118 Links und Download Zur Studie Schaubild: 7 Fakten zum besseren Verständnis (PDF) Stand: 16.03.2023