Dr. Almut Kirchner, Energiesystemexpertin, Direktorin und Partnerin bei Prognos, ist Co-Autorin des „Handbuch der elektrischen Energieversorgung“. Es bringt die technische und wirtschaftliche Welt zusammen, benennt aber auch Themen, die keiner hören will. 81 Autorinnen und Autoren aus 45 Unternehmen, Universitäten und Instituten haben in 45 Kapiteln auf 986 Seiten das „Handbuch elektrische Energieversorgung“ verfasst. Dr. Almut Kirchner, was erwartet den Leser? Der Lesende begibt sich auf eine Tour d’Horizon, auf eine große Reise durch das gesamte neue Energiesystem und dessen Transformation mit Schwerpunkten auf Elektrizitätsproduktion und -versorgung. Das Buch hat den Anspruch alle Aspekte dieser Transformation abzudecken, also nicht nur technische Aspekte, sondern auch infrastrukturelle, soziale, organisatorische, betriebswirtschaftliche inklusive aller Risiken. Die 45 Kapitel haben immer auch einen Praxisbezug und machen das Buch sehr spannend und kurzweilig. Welches Kapitel haben Sie beigetragen und worum geht es darin? Im Grundlagenteil habe ich Kapitel 6 über Energie- und Energiesystem-Szenarien verfasst. Es ist ein methodisches Kapitel mit begrifflichen Klärungen, weil unter Szenerien und Prognosen von unterschiedlichen Akteuren sehr unterschiedliche Dinge verstanden werden. Mir war es wichtig zu verdeutlichen, welche Aspekte betrachtet werden müssen, wenn man ein Szenario als Basis einer bedingten Aussage über die Entwicklung eines komplexen Systems aufbaut. Wenn man das für das Energiesystem durchdekliniert, dann sollte man nicht nur ein Teilsystem wie die Stromversorgung herausnehmen, sondern das Gesamtsystem betrachten – mit seinen Treibern, mit seinem Verhältnis zwischen Verwendungszwecken und Energieträgern, da es hier viele wechselseitige Abhängigkeiten gibt. Und nicht zu vergessen mit dem Menschen als Entscheidungsträger in seinen unterschiedlichen Funktionen – zum Beispiel als Konsument, als Unternehmer oder als Entscheidungsträger in Energieversorgungsunternehmen. Das Handbuch bringt die technische und wirtschaftliche Welt der Energieversorgung zusammen. Wie ist dies gelungen? Es hat mich sehr gefreut, dass das Buch ausführlich die Konflikte betrachtet zwischen Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit oder zwischen System-Ansprüchen und betriebswirtschaftlicher Machbarkeit bzw. Umsetzung. Aber auch die erhöhten Anforderungen an Technik und Steuerung der komplexen dezentralen Systeme werden im Detail erläutert. Außerdem benennt das Buch prominent unpopuläre Themen, die niemand hören will. In Kapitel 24 „Die Schattenseiten der Digitalisierung“ arbeitet Herbert Saurugg heraus, dass die Digitalisierung, die wir brauchen, auch eine neue Form der Verwundbarkeit darstellt, denn eine kritische Infrastruktur wie das Energiesystem ist mit einer notorisch unsicheren Infrastruktur wie die Digitalisierung verbunden. Oder in Kapitel 34, in dem es im Detail um Krisenprävention im Falle eines größeren Blackout-Ereignisses geht. Er zitiert darin ein Gutachten, das vor mehr als zehn Jahren durch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) erstellt wurde und für das wir eine Grundlagenarbeit geliefert haben. Basierend auf den dort analysierten Folgen und strukturellen Bewältigungserfordernissen werden dann die Handlungsnotwendigkeiten aufgezeigt und zusammengefasst. Wer sollte das Buch lesen und warum? Das Buch wendet sich an eine breit gefächerte Zielgruppe. Das können technische Fachleute sein oder wissenschaftliche Mitarbeitende von Politikerinnen und Politikern, die sich mit dem Energiesystem und dessen Transformation befassen. Aber auch größere Energie-Unternehmen, energieverbrauchende Unternehmen, Quartiersmanager, große Gebäudebetreiber und Verbände, damit die volks- bzw. betriebswirtschaftlichen Sichtweisen ergänzt werden um den technischen und Komplexitätshintergrund. Und auch für Menschen mit technischem und ökonomischem Hintergrund, die sich für die Energietransformation interessieren, ist es sicherlich ein großer Gewinn, das Energiebuch zu lesen. Zum Buch (energiebuch.info) Oliver D. Doleski, Dr.-Ing. Monika Freunek (Hrsg.) Handbuch elektrische Energieversorgung: Energietechnik und Wirtschaft im Dialog De Gruyter Oldenbourg November 2022. Weiterführende Links Szenarien für ein zukünftiges Energiesystem Energiewirtschaftliche Projektionen 2030/2050 Energieperspektiven Schweiz 2050+ Klimaneutrales Deutschland 2045 Klimaneutraler Stromsektor 2035 Miniserie „Blackout“ inspiriert von unseren Studien Stand: 15.12.2022 Haben Sie Fragen? Ihr Kontakt bei Prognos Dr. Almut Kirchner Partnerin, Direktorin Profil ansehen Über Prognos Wir geben Orientierung. Prognos ist eines der ältesten Wirtschaftsforschungsunternehmen Europas. An der Universität Basel gegründet, forschen Prognos-Expertinnen und -Experten seit 1959 für verschiedenste Auftraggeber aus dem öffentlichen und privaten Sektor – politisch unabhängig, wissenschaftlich fundiert. Mehr erfahren