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Innovationen in der
ambulanten Pflege

Auftraggeber

Sächsisches Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt

Jahr

2025

Partner

Prof. Dr. Andreas Büscher


Die steigende Zahl an pflegebedürftigen Menschen und der sich gleichzeitig zuspitzende Fachkräftemangel in der Pflege stellt auch die ambulante pflegerische Versorgung in Deutschland vor Herausforderungen. Innovative Organisations- und Arbeitsmodelle ambulanter Pflege, die neben einer qualitativ hochwertigen Versorgung auch verbesserte Arbeitsbedingungen versprechen, gewinnen vor diesem Hintergrund an Bedeutung.

Zwischen Mai 2019 und Januar 2023 arbeiteten bis zu vier Teams der Bosold Pflege GmbH aus Leipzig lizensiert nach dem Buurtzorg-Modell – einem Arbeitskollegen- und Organisationsmodell für die ambulante Pflege, das Mitte der 2000er Jahre in den Niederlanden ins Leben gerufen wurde.

Im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt evaluierte Prognos in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andreas Büscher (Hochschule Osnabrück) die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit dieses Modells in Sachsen.

Wie Pflegebedürftige und beruflich Pflegende profitieren

Die Evaluationsergebnisse zur Anfangsphase des Buurtzorg-Vorhabens der Bosold Pflege GmbH weisen auf Folgendes hin:

  • Elemente des Buurtzorg-Modells umsetzbar: Die Ergebnisse zeigen, dass Elemente des Buurtzorg-Modells unter den träger- und landesspezifischen Rahmenbedingungen umsetzbar sind. Hierzu gehört insbesondere die Versorgungskontinuität, die Bedürfnisorientierung und die Stärkung der Selbstständigkeit in der pflegerischen Versorgung.
  • Erfolgreicher Start durch gute Begleitung: Zentrale Voraussetzungen für die zunächst erfolgreiche Umsetzung des Buurtzorg-Vorhabens wurden durch die intensive Vorbereitung und Begleitung der Teamgründung durch den Träger und eine Coachin geschaffen. Erleichternd wirkten die Übernahme bestehender Verträge und eine offene Kommunikation.
  • Bessere Versorgungs- und Beziehungsqualität: Im Ergebnis zeigten sich positive Auswirkungen auf die Pflegequalität, erkennbar durch eine gesteigerte Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen sowie eine höhere Zufriedenheit der Versorgten und ihrer Angehörigen. Zudem verbesserten sich die Beziehungen zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen.
  • Höhere Arbeitszufriedenheit: Ebenso wurde von einer erhöhten Arbeitszufriedenheit berichtet, die vor allem mit einem reduzierten Zeitdruck in der täglichen Arbeit in Zusammenhang gebracht wurde. Dementsprechend überrascht es nicht, dass das Vorhaben sowohl intern als auch extern auf Interesse von beruflich Pflegenden stieß.

Lehren aus der Umsetzung des Buurtzorg-Modells

Mit dem Wachstum der Buurtzorg-Teams traten jedoch verschiedene Herausforderungen auf, die nicht nachhaltig gelöst werden konnten und schließlich zur Auflösung der Teams durch die Bosold Pflege GmbH führten. Die Ursachen für diese Probleme waren vielfältig. Die gesammelten Erfahrungen bieten dabei Erkenntnisse, aus denen Maßnahmen zur Fehlervermeidung sowie bewährte Praktiken abgeleitet werden können.

  • Schrittweise Umsetzung von Selbstorganisation: Der Träger und auch die Buurtzorg-Teams strebten eine umfassende Autonomie und Selbstorganisation der Buurtzorg-Teams an. Diese waren mit den zusätzlichen organisatorischen und verwaltenden Aufgaben jedoch teils überlastet. Dies hätte durch eine schrittweise Implementierung von Autonomie und Selbstorganisation potenziell verhindert werden können.
  • Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg: Die Einführung eines neuen Arbeitskollegen- und Organisationsmodells erfordert intensive Kommunikation und das Umgestalten von hierarchischen Strukturen. Die Beteiligten müssen sich regelmäßig Zeit für Austausch auf Augenhöhe und Problemlösungen nehmen. Dafür sind Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten essenziell. Coaches können unterstützen, sofern sie über fundierte Erfahrung verfügen.
  • Integration neuer Mitglieder benötigt Zeit und Begleitung: Für die erfolgreiche Integration neuer Teammitglieder wurden den Evaluationsergebnissen zufolge zwar zeitliche und finanzielle Ressourcen investiert, diese erwiesen sich jedoch nicht immer als ausreichend. Eine sorgfältige Planung und umfassende Unterstützung in diesem Prozess sind unerlässlich, um die langfristige Effektivität und die erfolgreiche Zusammenarbeit zu sichern.
  • Schaffung vergütungsrechtlicher Voraussetzungen: Die wirtschaftlichen Ziele der Bosold Pflege GmbH konnten durch das Buurtzorg-Vorhaben nicht erreicht werden. Angesichts der kleinen Fallzahlen sollte jedoch nicht auf eine grundsätzliche Unwirtschaftlichkeit des Modells geschlossen werden. Zudem ist die leistungsrechtliche Ausrichtung des Systems der ambulanten Pflege zum Teil nicht mit dem Buurtzorg-Ansatz vereinbar.

Das Buurtzorg-Modell im Überblick

Das Buurtzorg-Modell ist ein Konzept integrierter ambulanter pflegerischer und anderer Versorgung aus den Niederlanden. Nach dem Motto „Humanität über Bürokratie“ steht die pflegebedürftige Person im Mittelpunkt. Zentrale Elemente des Modells sind:

  • Bedürfnisorientierung und Förderung der Selbstständigkeit: Die Pflege wird individuell auf die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen zugeschnitten. Ziel ist es, deren Selbstständigkeit zu fördern. Der Aufbau eines breiten lokalen Unterstützungsnetzwerkes – beispielsweise durch die Einbeziehung von Nachbarschaftshilfe – ist dabei zentral.
  • Selbstorganisierte Teams: Die Pflegeteams sind weitgehend autark organisiert. Das heißt, sie unterliegen nicht der Supervision durch die verantwortliche Pflegefachkraft. Die Pflegekräfte übernehmen folglich nicht nur die Pflege, sondern auch administrative Aufgaben und die Organisation ihrer Arbeit, was zu einem hohen Maß an Eigenverantwortung führt. Unterstützt werden sie durch ein sogenanntes Backoffice und erfahrene Coaches.
  • Nachhaltigkeit: Das Modell zielt auch darauf ab, die Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende zu verbessern, ihre Zufriedenheit zu erhöhen und somit die Bindung an den Beruf zu stärken.

Unsere Vorgehensweise

Das Projektteam führte für die retrospektive Evaluation u. a. Literatur- und Dokumentenanalysen, Fachgespräche und (Online-)Befragungen durch. Als wissenschaftlicher Berater begleitete der Pflegeexperte Prof. Andreas Büscher von der Hochschule Osnabrück das Prognos-Team. Zum Ende des Projekts fand ein Abschlussworkshop mit Vertreterinnen und Vertretern der Bosold Pflege GmbH, ehemaligen Mitgliedern der Buurtzorg-Teams, der Kranken- und Pflegekassen, der (Verbände der) Träger der Leistungserbringer, des Sächsischen Pflegerats, des Sächsischen Städte- und Gemeindetages sowie der Auftraggeberin statt.

Links und Downloads

Zur Studie (PDF, pflegenetz.sachsen.de) 

Projektteam: Gwendolyn Huschik, Laura Sulzer

Stand: 11.09.2025

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Ihr Kontakt bei Prognos

Laura Sulzer

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Gwendolyn Huschik

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