Akteure weltweit forschen bereits heute an Kombinationen zwischen biologischen und technologischen Systemen. Vieles, was früher unvorstellbar war, ist heute Alltag – etwa Neuroprothesen, künstliche Organe, Biocomputer, smart Wearables oder die Zellforschung, um künstliches Fleisch zu erzeugen. Die Grenzen zwischen Biologie und Technologie lösen sich zunehmend auf. Diese Entgrenzung ist kein neues Phänomen, aber in letzter Zeit zeichnet sich eine neue Dimension ab. Immer mehr Unternehmen entwickeln Produkte und Lösungen für diesen Bereich. Dabei zielt die Kombination von biologischen und technologischen Systemen immer mehr auf eine beidseitige Verschmelzung ab.
Die Verbreitung und Nutzung und damit die zukünftige Dynamik entgrenzter Technologien braucht eine Verständigung darüber, in welcher Zukunft wir leben wollen.
Datenschutz und Cybersicherheit, die Kontrollierbarkeit der Technologien sowie die – gewollte oder ungewollte – externe Kontrolle von Lebewesen sind zentrale Punkte für den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs.
Für seinen Auftraggeber, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) untersuchte ein Prognos-Team aus Foresight-Expertinnen und -Experten zusammen mit Z_punkt, wie sich die neuen Möglichkeiten auf die Zukunft auswirken könnten. Durchleuchtet wurden aktuelle technologische und gesellschaftliche Entwicklungen, die zu einer Entgrenzung von Biologie und Technologie beitragen könnten.
Dafür wurden sechs Szenarien erstellt: In welchen Lebensbereichen könnten die Technologien in Zukunft eingesetzt werden? Und wie könnte infolgedessen der Alltag der Menschen aussehen?
Anwendungsszenarien für die 2030er-Jahre
Die Folgen der Entgrenzung von Biologie und Technologie wurden an sechs Anwendungsszenarien gespiegelt. Sie zeigen ein breites Spektrum an Entgrenzungsdynamiken. Doch es gibt in allen Szenarien auch übereinstimmende Elemente:
- In allen Anwendungsszenarien kommen fortschrittliche Formen digitaler Androide, smarter Wearables und komfortabler Exoskelette zum Einsatz. Digitale Androide und smarte Wearables sind bereits heute weit verbreitet. Exoskelette dagegen werden erst vereinzelt in Nischen genutzt.
- Künftig ebenso bedeutend sind biohybride, lebende Materialien und Biosensoren. Sie finden in fünf der sechs Anwendungsszenarien Anwendung. Gerade für kritische Herausforderungen in den Bereichen Umwelt und Energie spielen sie eine wichtige Rolle, etwa um die Energieeffizienz von Prozessen zu erhöhen oder die Emission von Schadstoffen zu reduzieren.
- Über die Szenarien hinweg sind neben Umwelt und Energie auch die Bereiche Gesundheit und Arbeit die wichtigsten Anwendungsfelder von Entgrenzungstechnologien. Hier bringen sie einen erheblichen Zugewinn an Kontrolle, Komfort sowie körperlicher und geistiger Entlastung.
- Je stärker die Entgrenzung einer Technologie ist, desto größer sind auch die mit ihrem Einsatz verbundenen Herausforderungen. Der Umgang damit und die Frage, ob eine Technologie zugelassen oder gesellschaftlich akzeptiert wird, ist von Szenario zu Szenario unterschiedlich. Einen großen Einfluss haben die wirtschaftliche Situation und das politische Umfeld innerhalb des jeweiligen Szenarios. Die Entgrenzung könnte vor allem im Themenbereich Gesundheit und Umwelt stattfinden, ihre Entwicklungsperspektive ist jedoch von längeren Entwicklungszeiten und Herausforderungen geprägt.
Zur Studie Wechselseitige Entgrenzung (vorausschau.de)
Mehr zu unserer Arbeit im Foresight-Prozess
Autorinnen und Autoren: Cordula Klaus, Lennart Galdiga, Jonathan-Aton Talamo (von Prognos) Christian Grünwald, Max Irmer, Julian Sachs (von Z_punkt)