Klimapolitische Einordnung von LNG

 

Auftraggeber

Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS)

Jahr

2023


Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ab Februar 2022 hat die Bundesregierung die energie- und sicherheitspolitische Lage in Deutschland neu bewertet. Eine Diversifizierung der Bezugsquellen von Gas und eine größere Unabhängigkeit von Russland sollen die Sicherheit der Energieversorgung gewährleisten. Flüssigerdgas (LNG) aus den USA und Katar spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Da die Bundesregierung jedoch gleichzeitig im Einklang mit den Klimazielen die Nutzung von fossilen Energieträgern zeitlich begrenzen möchte, stellt sich die Frage: Wie viel LNG darf es überhaupt sein?

Prognos erstellte für die Wissenschaftsplattform Klimaschutz der Bundesregierung (WPKS) zwei Studien, um dieser Frage zu begegnen.

Kernergebnisse „LNG-Bedarf für die deutsche Energieversorgung auf dem Weg zur Klimaneutralität“

Versorgungslage in Deutschland:

  • Stand heute sind in Deutschland acht stationäre, schwimmende Regasifizierungsterminals (FSRU) und drei feste Terminals an Land geplant, um die Versorgung mit LNG zu gewährleisten.
  • Gleichzeitig deuten alle Klimaneutralitätsszenarien (u. a. Big Five) – spätestens ab 2030 – auf eine schnelle Reduktion des Gasverbrauchs hin.
  • Prognos berechnete den Bedarf an Terminals für verschiedene Szenarien. Im ungünstigsten Fall, wenn die größte verbleibende Pipeline ausfiele und die Gasimporte aus Russland nach Europa komplett reduziert würden, benötigt Deutschland kurzfristig alle genannten FSRU.
  • Langfristig könnten die festen LNG-Importterminals aufgrund einer sinkenden Gasnachfrage jedoch Überkapazitäten darstellen.

Weltweite Versorgungslage:

  • Derzeit sind die weltweiten Gas-Verflüssigungskapazitäten (Exportterminals) knapp und es besteht ein Wettbewerb um LNG-Mengen.
  • Bei einer sinkenden weltweiten Gasnachfrage könnte auf dem LNG-Markt schon ab 2024 eine deutliche Entspannung sichtbar sein.
  • Für die weltweite LNG-Versorgung werden in den nächsten Jahren Verflüssigungskapazitäten aufgebaut. Diese erhöhen sich bis 2026 um 30 Prozent.
  • Falls die weltweite Nachfrage nicht spürbar sinkt, kann dennoch spätestens ab dem Jahr 2026 die Nachfrage bedient werden. Der Bau weiterer Verflüssigungskapazitäten würde ab dann nicht mehr benötigt.

Gesamte Studie lesen (PDF)

Kernergebnisse „Stranded Assets und Lock-ins durch LNG-Importe nach Deutschland – Einordnung der Situation“

  • Ein Großteil der aktuell geplanten festen LNG-Importterminals läuft Gefahr, als Stranded Asset zu enden, sofern keine Nachnutzung über z. B. Ammoniakimporte stattfindet oder sie über einen kürzeren Zeitraum refinanziert werden.
  • Die Nachnutzung der festen Terminals sollte bereits heute mitgeplant und festgehalten werden.
  • Die Gefahr von Lock-in-Effekten besteht bei Verflüssigungsanlagen (Exportterminals) durch lange vertragliche Abnahmegarantien.
  • LNG-Importverträge sollten möglichst kurzfristig und flexibel (Lieferort und -dauer) ausgestaltet werden. Wenn möglich, sollten nur die Exportkapazitäten und keine Energiemengen gesichert werden.  
  • Bei der Gasförderung und Exploration besteht insbesondere die Gefahr eines Lock-ins, wenn neue Gasfelder erschlossen werden müssen.

Gesamte Studie lesen (PDF)

Unsere Vorgehensweise

In der ersten Studie „LNG-Bedarf für die deutsche Energieversorgung auf dem Weg zur Klimaneutralität“ werden Berechnungen zur deutschen und europäischen Gasversorgung auf Basis historischer Gasflussdaten der ENTSOG durchgeführt. Mit Hilfe unseres Gasbilanzierungstools wird die historische Entwicklung der Gasflüsse in die Zukunft fortgeschrieben. Dabei werden die in Deutschland geplanten LNG-Importterminals hinzugerechnet. Darüber hinaus wurden dort, wo aufgrund erwartbarer Ereignisse Änderungen notwendig waren, entsprechende Annahmen getroffen (z. B. wird erwartet, dass das Gasangebot aus Norwegen ab 2030 sinkt). Daraus ergibt sich die zukünftige Angebotssituation für Deutschland und Europa bis 2050. Dem Gasangebot wird die Bandbreite der Gasnachfrage gegenübergestellt, die sich aus den Klimaneutralitätsszenarien (u. a. Big Five) ergibt. Daraus lässt sich ableiten, wie die zukünftige Versorgungssituation in Deutschland und Europa aussehen wird und ob ggf. mehr Kapazitäten zur Verfügung stehen als benötigt werden.

Die weltweite LNG-Bilanz ergibt sich aus der Nachfrage der einzelnen Weltregionen und dem prognostizierten Ausbau der LNG-Verflüssigungskapazitäten. Bei der Nachfrage haben wir uns an den Nachfrageszenarien der IEA orientiert. Das Angebot ergibt sich aus der Verfügbarkeit von LNG-Verflüssigungskapazitäten. Hierzu wurden der Bestand und die Ausbaupläne für LNG-Verflüssigungskapazitäten erhoben. Eine Gegenüberstellung der weltweiten LNG-Nachfrage und der verfügbaren Verflüssigungskapazitäten zeigt, ab wann mit einem ausreichenden globalen Angebot zu rechnen ist.

Die zweite Studie „Stranded Assets und Lock-ins durch LNG-Importe nach Deutschland – Einordnung der Situation“ analysiert einen möglichen Lock-in-Effekt, der durch den Aufbau einer LNG-Infrastruktur insbesondere in Deutschland entstehen könnte. Für die einzelnen Teile der Lieferkette (Importterminal, Verflüssigung sowie Exploration und Produktion) wurde untersucht, ob bestimmte Aspekte Lock-in-Effekte erzeugen oder verstärken. Insbesondere die Gefahr von Stranded Assets, vertragliche Bindungen und Skaleneffekte wurden als Aspekte identifiziert, die Lock-ins bei LNG-Infrastrukturen begünstigen. Die Untersuchungen zu Stranded Assets basieren auch auf den Ergebnissen der ersten Studie, in der die Gasversorgungssituation in Deutschland und Europa untersucht wurde.

Links und Downloads

Weitere Infos auf der Webseite der WPKS
Studie LNG-Bedarfe (PDF)
Studie Lock-in-Thematik (PDF)

Projektteam: Ravi Srikandam, Moritz Bornemann, Jens Hobohm, Sven Kreidelmeyer, Sebastian Lübbers

Stand: 29.6.2023

Kontakt für Presseanfragen

Antonia Wentrot | E-Mail: presse@prognos.com | Telefon: +49 30 58 70 89 118

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