Untersucht wurden ausgewählte Szenarien zum künftigen Umgang mit Lebenserwartung, Lebensarbeitszeit und Renteneintritt im Hinblick auf die Stabilität der Altersvorsorge
bis zum Jahr 2040. Die Untersuchung zeigt, welchen Einfluss die Wahl
des Renteneintrittsalters aus individueller Perspektive für die Renten
der Versicherten hat, welche Wirkungen sich auf dem Arbeitsmarkt ergeben, wie die Finanzierungssituation der Rentenversicherung langfristig beeinflusst wird und welche Konsequenzen dies für den Staatshaushalt hat.
Altersvorsorge braucht Zeit. Wenn sich der Durchschnittsdeutsche im Alter von derzeit etwa 44 Jahren über seine Rente Gedanken macht, sollte er zumindest das Jahr 2040 in den Blick nehmen. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit wird er kaum wesentlich früher in den Ruhestand treten. Und auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung greift ein kürzerer Betrachtungshorizont zu kurz: Die sogenannten Babyboomer gehen erst im Zeitraum 2025 bis 2035 nach und nach in den Ruhestand, mit deutlichen Auswirkungen für das Rentensystem.
Um die genannten Perspektiven bis zum Jahr 2040 greifbar zu machen illustriert die Studie die Auswirkungen ausgehend von der Referenzentwicklung des gesetzlichen Status quo anhand von vier Szenarien:
Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit im Sinne einer Verschiebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters bringt aus allen Perspektiven betrachtet spürbare Vorteile. Das Szenario „Arbeiten bis 67“ verdeutlicht dies:
Im Vergleich zur Referenzentwicklung steigt die Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten oder allgemein gesprochen der
Erwerbstätigen um bis zu 950.000 Personen (im Jahr 2030) an.
Arbeiten
die Menschen tatsächlich bis zum Alter von 67 Jahren, dann leisten sie
einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung des Fachkräfte potenzials.
Wenngleich der Zugewinn an Arbeitskräften die Lohnentwicklung der
Beschäftigten leicht dämpft, verbessert sich das Wachstumspotenzial der
deutschen Wirtschaft. Über den Zeithorizont 2015 bis 2040 erhöht sich
das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts je Einwohner um etwa 0,1
Prozentpunkte pro Jahr.
Im Umlageverfahren gelingt mittelfristig
eine bessere Balance zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern.
Die Beitragszahler werden im Zuge der Verlängerung ihrer Erwerbsphase
durch geringere Beitragssatzanstiege entlastet. Dies gilt insbesondere
für die „heiße Phase“ der demografischen Entwicklung zwischen 2025 und
2035. Im Jahr 2030 ergibt sich eine Beitragssatzreduktion um 0,9
Prozentpunkte. Der Beitragssatz steigt im Basisszenario bis zum Jahr
2040 auf 23,7 Prozent, bei einer Verlängerung der Erwerbsphase reicht
bereits ein Beitragssatz von 23,4 Prozent zum Budgetausgleich.
Künftige Rentnergenerationen profitieren zudem von höheren Leistungen der gesetzlichen
Rentenversicherung.
Und zwar sowohl individuell, im Sinne höherer Renten, als auch
kollektiv, im Sinne eines höheren Rentenniveaus. Langfristig führen die
höheren Rentenansprüche zu steigenden Renten und höheren Ausgaben.
Gleichzeitig bewirkt das dauerhaft günstigere Verhältnis von
Erwerbsphase zu Rentenbezugsdauer eine nachhaltige Verbesserung des
Nettorentenniveaus vor Steuern. Unter dem Strich schafft die
Verschiebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre im
Maximum eine Verbesserung des Rentenniveaus um 1,1 Prozentpunkte im Jahr
2030.
Die Durchschnittsrente des Jahres 2040 steigt gegenüber der Referenz um gut 200 Euro im Jahr, gemessen in heutigen Preisen.
Da die Lebenserwartung in Zukunft weiter steigen wird, ist über das Jahr 2030 hinaus
eine
weitere Anhebung der Regelaltersgrenze systematisch geboten. Diese
sollte regelgebunden erfolgen, um einen automatischen Ausgleich zwischen
Beitragsphase und Rentenbezugsdauer zu gewährleisten. Vereinfacht
lautet die Regel: Die hinzugewonnene Lebenszeit sollte zu zwei Dritteln
in Arbeit und zu einem Drittel in Rente verbracht werden.
Die
Regelaltersgrenze müsste demnach nach Abschluss der Einführung der Rente
mit 67 zwischen 2030 und 2040 um weitere 7 Monate angehoben werden.Die
positiven Effekte des Szenarios „Arbeiten bis 67“ können damit in der
langen Frist nochmals verstetigt werden. Das Rentensystem würde durch
die Regelbindung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung
nachhaltig stabilisiert.
Auf der anderen Seite verdeutlicht das
Szenario „Früher in Rente“, dass im Umlageverfahren die Kosten des
demografischen Wandels über andere Kanäle aufgefangen werden müssen. In
diesem Fall reagieren sowohl der Beitragssatz als auch das Rentenniveau
negativ. Der Beitragssatz steigt schneller als in der
Referenzentwicklung. Spiegelbildlich sinkt das Rentenniveau gegenüber
der Referenz schneller ab. Die Versicherten müssen damit perspektivisch
höhere monatliche Abzüge auf ihren Lohnzetteln in Kauf nehmen und
erhalten dennoch im Ruhestand geringere Leistungen. Der Rentenbeitrag
steigt gegenüber dem Status quo im Jahr 2030 um 0,5 Prozentpunkte. Die
Jahresdurchschnittsrente fällt um etwa 170 Euro geringer aus.
Im
Kern verdeutlicht die Studie, dass es aller Mühen wert ist, die
Voraussetzungen für ein längeres Erwerbsleben zu schaffen. Eine
Verlängerung der Lebensarbeitszeit bietet vielfache Vorteile. Sie
stabilisiert die Finanzierung der Rentenversicherung, stärkt Wachstum
und Beschäftigung und hilft bei der Altersvorsorge heutiger und
künftiger Rentnergenerationen. Das sind Chancen und Potenziale, die
andere reformpolitische Stellschrauben so nicht bieten.
Die
gewählten Szenarien abstrahieren bewusst von der faktischen rechtlichen
und politischen Umsetzbarkeit und damit auch von der sozialpolitischen
Bewertung der Frage, ob eine längere Arbeitszeit beispielsweise
gesundheitlich möglich ist. Die Szenarien sollen vielmehr das Spektrum
der Möglichkeiten aufzeigen und insbesondere die Chancen quantifizieren,
die aus den jeweiligen Perspektiven mit einer längeren
Lebensarbeitszeit verbunden sind. Hierzu gehört neben der eigenen Rente
ein potenzieller Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut durch ein
insgesamt steigendes Leistungsniveau der Rentenversicherung.
Autor: Dr. Oliver Ehrentraut
Kunde: Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV)
Jahr: 2016
Typ: Studie
Bereich: Wirtschaft & Arbeit
Themenfeld: Soziale Sicherungssysteme