1,5-Grad-Ziel von Paris nur mit CO2-Senken erreichbar
Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, reicht es nicht, die Treibhausgas (THG)-Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren. THG-Neutralität wird nur erreicht werden, wenn der Atmosphäre auch CO2 entnommen wird. Natürliche CO2-Senken sind mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Technischen Senken wird häufig mit Misstrauen begegnet. Im Rahmen der dena-Studie „Aufbruch Klimaneutralität“ untersuchte Prognos den aktuellen Wissensstand zu technischen CO2-Senken sowie die gesamte Wertschöpfungskette von der CO2-Abscheidung über den Transport bis zur Nutzung und Speicherung des CO2.
Technische CO2 -Senken: Anwendungsbereiche
Technische CO2-Senken werden erzeugt, wenn biogenes oder atmosphärisches CO2 abgeschieden und langfristig der Atmosphäre entnommen wird.
Der energetische Einsatz von Biomasse und der anschließenden Abscheidung des biogenen Kohlenstoffs (BECCS) ist besonders für Prozesse im Industriesektor geeignet, die einen großen, konzentrierten Wärmebedarf auf hohem Temperaturniveau (z. B. Eisen & Stahl und Grundstoffchemie) haben. Hier liegen die spezifischen Kosten für die gesamte Wertschöpfungskette aktuell zwischen 115 und 145 Euro/tCO2.
Die Direktabscheidung von CO2aus der Atmosphäre mit anschließender Speicherung (DACCS) bzw. Nutzung in langlebigen Produkten (DACCUS) birgt langfristig ein großes Potenzial für negative Emissionen. Hierfür müssen jedoch genügend erneuerbare Energien und freie Flächen zur Verfügung stehen. Die derzeitigen Abscheidungskosten sind mit rund 700 Euro/tCO2 außerdem sehr hoch, sodass noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht. Eine Hochskalierung wird allerdings ohnehin für die Produktion kohlenstoffhaltiger Powerfuels (P2X) erforderlich sein, was Treiber für einen schnelleren Markthochlauf sein könnte.
Fossile CO2-Emissionen aus energetischer Nutzung sowie CO2-Prozessemissionen, die durch einen Technologiewechsel eliminiert werden können, sollten vermieden werden. Bei nicht vermeidbaren Prozessemissionen (z. B. bei der Zementproduktion) ist die Abscheidung von CO2 aus aktueller Sicht notwendig. Dabei wird „Carbon Capture and Storage“ (CCS) als CO2-Vermeidungstechnologie eingesetzt, es werden aber keine negativen CO2-Emissionen generiert.
Für den Aufbau einer Transportinfrastruktur für CO2-Transporte sind die technischen Voraussetzungen vorhanden. Die Entwicklung müsste jedoch aufgrund langer Planungszeiträume zeitnah beginnen, damit genügend Transportkapazitäten vorhanden sind, wenn CO2in großen Mengen abgeschieden und gespeichert werden soll. Mittelfristig ist der Transport per Schiff die kostengünstigste Option. Langfristig sollte eine europaweite CO2-Pipeline-Infrastruktur entwickelt werden.
Was die Nutzung von CO2 betrifft, ist das Potenzial bei der chemischen Nutzung besonders hoch, aber auch mit großen Herausforderungen verbunden. Der Einsatz von biogenem bzw. atmosphärischem CO2 in langlebigen Produkten (z. B. Baustoffe) kann einen relevanten Beitrag zur Klimaneutralität leisten, allerdings sind hier die Potenziale deutlich geringer als bei der chemischen Nutzung.
Die geologischen Kapazitäten für die Speicherung von CO2 sind theoretisch sehr hoch. Auch die Technologien zur Speicherung sind vorhanden und die Kosten mit 4–20 Euro/tCO2 relativ niedrig. Doch die limitierten jährlichen Einspeisekapazitäten und die fehlende Akzeptanz aufgrund möglicher Risiken setzen der geologischen CO2-Speicherung Grenzen.
Technologien für technische CO2 Senken sind vorhanden – doch es besteht technologischer Entwicklungs- und politischer Handlungsbedarf
„Insgesamt zeigt das Gutachten, dass die Technologien in den relevanten Bereichen grundsätzlich zur Verfügung stehen. Dennoch besteht weiterhin hoher Forschungs- und Entwicklungsbedarf für effizientere und ausgereiftere Technologien“, so Prognos Projektleiter Sebastian Lübbers. Die künftigen Potenziale technischer CO2-Senken hängen von der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, dem nachhaltigen Biomasseangebot und der jährlichen CO2-Transport- und Einspeisekapazität ab. Dafür müssen auch die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den Stakeholdern Planungssicherheit zu garantierten. Für die groß angelegte Erzeugung negativer Emissionen sollten monetäre Anreize geschaffen werden. Außerdem sollte der gesellschaftliche Diskurs über die Notwendigkeit und die Risiken der Speicherung von CO2 und negativen Emissionen forciert werden, um eine breite Akzeptanz für diese Themen zu schaffen.
„Grundsätzlich muss der Fokus weiterhin auf die Reduktion der THG-Emissionen liegen. Dennoch ist es von Bedeutung mittelfristig einen Hochlaufpfad für technische CO2-Senken zu entwickeln, um langfristig kostenoptimiert in großem Umfang negative CO2-Emissionen zu generieren.“, betont Sebastian Lübbers. Für den Zeitraum nach 2045 werde die Bedeutung von technischen CO2-Senken nochmals zunehmen, um dauerhaft die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu senken und langfristig netto Negativemissionen zu erreichen.
Am 16. Juni 2021 hat Sebastian Lübbers im dena-Kolloquium „Wohin mit dem Rest? – Die Bedeutung von CO2-Senken“ in einem Impulsreferat die Ergebnisse dieses Sondergutachtens vorgestellt.
Autorinnen und Autoren: Sebastian Lübbers, Christoph Thormeyer, Jens Hobohm, Hans Dambeck
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Jens Hobohm
Partner, Direktor
Sebastian Lübbers
Projektleiter