Welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen hätte eine dauerhafte Wiedereinführung von Personenkontrollen an den EU-Binnengrenzen? Eine von Prognos erstellte Kurzstudie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung liefert Antworten.
Die Studie zeigt, dass eine Aufkündigung des Schengen-Abkommens negative ökonomische Auswirkungen hätte. Die Grenzkontrollen würden dazu führen, dass die Wartezeiten und Transportkosten steigen. Die Lagerbestände müssten aufgestockt werden und Just-in-Time Lieferungen wären nur noch bedingt möglich. Die komplexen und international verbundenen Wertschöpfungsketten würden die Folgen spüren. Prognos beziffert die gesamtwirtschaftlichen Kosten der Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Dabei wurden Zolläquivalente prozentual auf die Importpreise aufgeschlagen. Das Ergebnis: Den Szenarienrechnungen zufolge wären allein in Deutschland Wachstumseinbußen in Höhe von mindestens 77 Mrd. Euro bis zum Jahr 2025 zu erwarten - im besseren Fall. Unter pessimistischeren Annahmen summieren sich die gesamtwirtschaftlichen Kosten bis zum Jahr 2025 sogar auf bis zu 235 Mrd. Euro.
Andere EU-Staaten wie Frankreich, Spanien, Großbritannien, Österreich oder Polen wären ebenfalls stark betroffen. Bis 2025 wäre die kumulierte Wirtschaftsleistung der EU insgesamt zwischen fast 500 Mrd. Euro und rund 1,4 Billionen Euro niedriger als im Falle offener EU-Binnengrenzen. Zusätzliche ökonomische Effekte auf Berufspendler in Grenzregionen, auf die Tourismusbranche sowie auf die mittelfristigen Anpassungen der internationalen Wertschöpfungsketten sind dabei noch gar nicht berücksichtigt worden. Die Berechnungen zeigen, dass die Auswirkungen nicht nur auf Europa beschränkt wären, sondern aufgrund der engen Handelsverflechtungen auch auf China und den USA wirken würden. Die Studie identifiziert zusätzliche politische und gesellschaftliche Wirkungskanäle und Konsequenzen. So wäre mit der Aufkündigung des Schengen-Abkommens der grenzfreie Reiseverkehr in Europa passé. Darüber hinaus würde eine Abkehr vom Schengen-Abkommen nationalen Sicherheitsbehörden die Zusammenarbeit erschweren, indem der automatische und grenzüberschreitende Datenaustausch entfallen würde. Und schließlich dürfte besonders die politische Symbolkraft einer Aufkündigung des Schengen-Abkommens für den europäischen Einigungsprozess von enormer Bedeutung sein.
Zur Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung
Autorinnen und Autoren:
Dr. Michael Böhmer, Jan Limbers, Ante Pivac, Heidrun Weinelt
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Dr. Michael Böhmer
Chefvolkswirt | Leiter Corporate Solutions
Jan Limbers
Senior-Experte
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