Prognos Experte Dr. Oliver Ehrentraut hat am 13. Juni in Berlin eine Studie zum Thema Rente vorgestellt. Die Analyse mit dem Titel „Perspektiven 2040: Fakten zur Rentendebatte“ wurde im Auftrag des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. erstellt. Untersucht wurden ausgewählte Szenarien zum künftigen Umgang mit Lebenserwartung, Lebensarbeitszeit und Renteneintritt im Hinblick auf die Stabilität der Altersvorsorge bis zum Jahr 2040. Die Untersuchung zeigt, welchen Einfluss die Wahl des Renteneintrittsalters aus individueller Perspektive für die Renten der Versicherten hat, welche Wirkungen sich auf dem Arbeitsmarkt ergeben, wie die Finanzierungssituation der Rentenversicherung langfristig beeinflusst wird und welche Konsequenzen dies für den Staatshaushalt hat. Warum blickt die Studie bis ins Jahr 2040? Altersvorsorge braucht Zeit. Wenn sich der Durchschnittsdeutsche im Alter von derzeit etwa 44 Jahren über seine Rente Gedanken macht, sollte er zumindest das Jahr 2040 in den Blick nehmen. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit wird er kaum wesentlich früher in den Ruhestand treten. Und auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung greift ein kürzerer Betrachtungshorizont zu kurz: Die sogenannten Babyboomer gehen erst im Zeitraum 2025 bis 2035 nach und nach in den Ruhestand, mit deutlichen Auswirkungen für das Rentensystem. Welche Szenarien zur Rente wurden untersucht? Um die genannten Perspektiven bis zum Jahr 2040 greifbar zu machen illustriert die Studie die Auswirkungen ausgehend von der Referenzentwicklung des gesetzlichen Status quo anhand von vier Szenarien: Referenz-Szenario: In diesem Szenario, das als Vergleichsgröße für alle übrigen Szenarien dient, wird angenommen, dass das durchschnittliche tatsächliche Ren-teneintrittsalter im Takt mit der Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze wei-ter zunimmt und von heute 64,2 auf 65 Jahre ansteigt. Das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt also weiterhin um zwei Jahre unter der gesetzlichen Regelalters-grenze von 67 Jahren. Szenario 1 „Früher in Rente“: Dieses Szenario betrachtet die ökonomischen Aus-wirkungen für den Arbeitsmarkt, die individuelle und die allgemeine, rentensystematische Perspektive für den Fall, dass – gemessen am aktuellen Stand von ca. 64 Jahren – keine weitere Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters erfolgt. Dieses Szenario unterstellt gewissermaßen, dass die „Rente mit 63“ den positiven Trend der „Rente mit 67“ bricht. Szenario 2 „Arbeiten bis 67“: Hier werden die jeweiligen Ergebnisgrößen für eine Situation berechnet, in der das gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 Jahren von den Versicherten bis zum Jahr 2029 tatsächlich erreicht wird. Szenario 3 „Lebensarbeitszeit plus“: In dieser Variante wird die Regelaltersgrenze nach dem Jahr 2029 systematisch an die steigende Lebenserwartung gekoppelt. Das Szenario setzt auf dem Rentenzugangsverhalten „Arbeiten bis 67“ auf und verschiebt die Renteneintritte mit der weiter steigenden Lebenserwartung sukzessive in höhere Lebensalter. Lebenserwartung, Lebensarbeitszeit und Renteneintritt – die wichtigsten Ergebnisse Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit im Sinne einer Verschiebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters bringt aus allen Perspektiven betrachtet spürbare Vorteile. Das Szenario „Arbeiten bis 67“ verdeutlicht dies: Der Arbeitsmarkt profitiert dauerhaft von einer höheren Zahl an Erwerbstätigen. Gesamtwirtschaftlich ergibt sich ein positiver Wachstumseffekt. Die Finanzierungsbasis des Umlageverfahrens der gesetzlichen Rentenversicherung wird gestärkt. Der Bundeshaushalt wird durch geringere Bundeszuschüsse an die Rentenkassen entlastet. Die Versicherten erwerben mehr Rentenansprüche und erzielen entsprechend höhere Renten. Im Vergleich zur Referenzentwicklung steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten oder allgemein gesprochen der Erwerbstätigen um bis zu 950.000 Personen (im Jahr 2030) an. Arbeiten die Menschen tatsächlich bis zum Alter von 67 Jahren, dann leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung des Fachkräfte potenzials. Wenngleich der Zugewinn an Arbeitskräften die Lohnentwicklung der Beschäftigten leicht dämpft, verbessert sich das Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft. Über den Zeithorizont 2015 bis 2040 erhöht sich das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts je Einwohner um etwa 0,1 Prozentpunkte pro Jahr. Im Umlageverfahren gelingt mittelfristig eine bessere Balance zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern. Die Beitragszahler werden im Zuge der Verlängerung ihrer Erwerbsphase durch geringere Beitragssatzanstiege entlastet. Dies gilt insbesondere für die „heiße Phase“ der demografischen Entwicklung zwischen 2025 und 2035. Im Jahr 2030 ergibt sich eine Beitragssatzreduktion um 0,9 Prozentpunkte. Der Beitragssatz steigt im Basisszenario bis zum Jahr 2040 auf 23,7 Prozent, bei einer Verlängerung der Erwerbsphase reicht bereits ein Beitragssatz von 23,4 Prozent zum Budgetausgleich. Künftige Rentnergenerationen profitieren zudem von höheren Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Und zwar sowohl individuell, im Sinne höherer Renten, als auch kollektiv, im Sinne eines höheren Rentenniveaus. Langfristig führen die höheren Rentenansprüche zu steigenden Renten und höheren Ausgaben. Gleichzeitig bewirkt das dauerhaft günstigere Verhältnis von Erwerbsphase zu Rentenbezugsdauer eine nachhaltige Verbesserung des Nettorentenniveaus vor Steuern. Unter dem Strich schafft die Verschiebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre im Maximum eine Verbesserung des Rentenniveaus um 1,1 Prozentpunkte im Jahr 2030. Die Durchschnittsrente des Jahres 2040 steigt gegenüber der Referenz um gut 200 Euro im Jahr, gemessen in heutigen Preisen. Da die Lebenserwartung in Zukunft weiter steigen wird, ist über das Jahr 2030 hinaus eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze systematisch geboten. Diese sollte regelgebunden erfolgen, um einen automatischen Ausgleich zwischen Beitragsphase und Rentenbezugsdauer zu gewährleisten. Vereinfacht lautet die Regel: Die hinzugewonnene Lebenszeit sollte zu zwei Dritteln in Arbeit und zu einem Drittel in Rente verbracht werden. Die Regelaltersgrenze müsste demnach nach Abschluss der Einführung der Rente mit 67 zwischen 2030 und 2040 um weitere 7 Monate angehoben werden.Die positiven Effekte des Szenarios „Arbeiten bis 67“ können damit in der langen Frist nochmals verstetigt werden. Das Rentensystem würde durch die Regelbindung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung nachhaltig stabilisiert. Auf der anderen Seite verdeutlicht das Szenario „Früher in Rente“, dass im Umlageverfahren die Kosten des demografischen Wandels über andere Kanäle aufgefangen werden müssen. In diesem Fall reagieren sowohl der Beitragssatz als auch das Rentenniveau negativ. Der Beitragssatz steigt schneller als in der Referenzentwicklung. Spiegelbildlich sinkt das Rentenniveau gegenüber der Referenz schneller ab. Die Versicherten müssen damit perspektivisch höhere monatliche Abzüge auf ihren Lohnzetteln in Kauf nehmen und erhalten dennoch im Ruhestand geringere Leistungen. Der Rentenbeitrag steigt gegenüber dem Status quo im Jahr 2030 um 0,5 Prozentpunkte. Die Jahresdurchschnittsrente fällt um etwa 170 Euro geringer aus. Im Kern verdeutlicht die Studie, dass es aller Mühen wert ist, die Voraussetzungen für ein längeres Erwerbsleben zu schaffen. Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit bietet vielfache Vorteile. Sie stabilisiert die Finanzierung der Rentenversicherung, stärkt Wachstum und Beschäftigung und hilft bei der Altersvorsorge heutiger und künftiger Rentnergenerationen. Das sind Chancen und Potenziale, die andere reformpolitische Stellschrauben so nicht bieten. Die gewählten Szenarien abstrahieren bewusst von der faktischen rechtlichen und politischen Umsetzbarkeit und damit auch von der sozialpolitischen Bewertung der Frage, ob eine längere Arbeitszeit beispielsweise gesundheitlich möglich ist. Die Szenarien sollen vielmehr das Spektrum der Möglichkeiten aufzeigen und insbesondere die Chancen quantifizieren, die aus den jeweiligen Perspektiven mit einer längeren Lebensarbeitszeit verbunden sind. Hierzu gehört neben der eigenen Rente ein potenzieller Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut durch ein insgesamt steigendes Leistungsniveau der Rentenversicherung. Zur Kurzstudie (PDF) Zur Präsentation der Studienergebnisse von Dr. Oliver Ehrentraut (PDF) Zur Pressemitteilung der GDV Autor: Dr. Oliver Ehrentraut Haben Sie Fragen? Ihr Kontakt bei Prognos Dr. Oliver Ehrentraut Partner, Direktor, Leitung der volkswirtschaftlichen Abteilung Profil ansehen Unsere Arbeiten zu diesem Thema Szenarien zur Reform der Pflegefinanzierung 2024 | Projekt Mehr Pflegebedürftige und steigende Kosten: Dass wir älter werden, stellt die Pflegeversicherung vor große Herausforderungen. Eine neue Analyse zeigt den künftigen Finanzierungsbedarf. 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Ein neues Hintergrundpapier enthält Einschätzungen und neue Berechnungen rund um das Vorhaben der Ampel-Regierung. Mehr dazu Auswirkungen von Corona-Tests auf Volkswirtschaft und Gesundheitswesen 2022 | Projekt Corona-Tests sollen helfen, das Infektionsgeschehen einzudämmen. Prognos quantifizierte nun den Nutzen der Tests auf Volkswirtschaft und Gesundheitswesen. Mehr dazu Studienvorstellung: Quantitativer Nutzen von Corona-Tests auf die Volkswirtschaft und das Gesundheitswesen 09. März 2022 | Event Testungen sind ein wichtiger Baustein zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Unsere neue Studie untersucht den quantitativen Nutzen auf die deutsche Volkswirtschaft und das Gesundheitswesen. Mehr dazu Studienpräsentation: Zukunft gemeinsam gestalten 15. September 2022 | Event Auf dem R+V Zukunftsfestival werden erstmals die Ergebnisse der Studie „Zukunft gemeinsam gestalten“ präsentiert. Mehr dazu 40+x? Sozialbeiträge im Fokus 2021 | Projekt Aufgrund der demografischen Alterung in Deutschland werden die Sozialversicherungsbeiträge bis 2040 auf 46 Prozent steigen. Das ergaben Berechnungen für die INSM. Mehr dazu Lohneinkommensentwicklungen 2025 2020 | Projekt Steigt die Produktivität der deutschen Wirtschaft, kommt das nicht bei jedem Einzelnen in gleichem Maße an. Das zeigt unsere Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Mehr dazu Regionale Kosten der Altersvorsorge 2020 | Projekt Die Studie zeigt: Gesetzlich Versicherte sollten zusätzlich privat vorsorgen, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Der Sparbedarf unterscheidet sich je nach Region. Mehr dazu Investiver Sozialstaat: Innovativ und wirksam. 2020 | Projekt In einem Policy-Paper beschreibt Prognos die Entwicklung des Sozialstaates in Deutschland und zeigt dabei die Komplexität von Reformprozessen auf. Mehr dazu Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns auf die Rentenentwicklung 2020 | Projekt Hat(te) der gesetzliche Mindestlohn Einfluss auf Rentenentwicklung und individuelle Rentenansprüche? Dem ist Prognos im Auftrag der Mindestlohnkommission nachgegangen. Mehr dazu Welche Folgen haben Homeoffice, Schulschließung & Co? 2020 | Projekt Koordiniert durch Prognos und das Institut der deutschen Wirtschaft haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interdisziplinär ein Papier zu den gesundheitlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise zusammengestellt. Mehr dazu Evaluation: Umsetzung UN-Behindertenrechtskonvention in Schleswig-Holstein 2020 | Projekt Prognos untersuchte u.a. die Konzeption des Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Mehr dazu Evaluation: Umstellung des Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit 2020 | Projekt Prognos hat die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsverfahrens im Rahmen eines Monitorings begleitet. Mehr dazu Evaluation: Modellprogramm neue Wohnformen 2020 | Projekt Gemeinsam mit dem Kuratorium Deutsche Altershilfe evaluierte Prognos das Modellprogramm „Weiterentwicklung neuer Wohnformen nach § 45f SGB XI“ des GKV-Spitzenverbandes. Mehr dazu Antragsrückgang bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 2019 | Projekt Im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund identifizierten wir Gründe für den Antragsrückgang sowie für die Nichtinanspruchnahme von medizinischer Rehabilitation. Mehr dazu Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen 2019 | Projekt Prognos hat untersucht, mit welchen Kosten und Einnahmen auf staatlicher Seite Fördermaßnahmen für haushaltsnahe Dienstleistungen verbunden wären. Mehr dazu Auswirkungen des Imports von Arzneimitteln 2019 | Projekt Im Auftrag des Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands e.V. hat Prognos die finanziellen Auswirkungen des Importes von Arzneimitteln auf das Gesundheitswesen berechnet. Mehr dazu Berechnungen zur Respektrente 2019 | Projekt Wie wirkt sich das Vorhaben der Respektrente auf Rentner aus, die von der Regelung profitieren würden? Prognos hat Fallbeispiele für mehrere stilisierte Rentner-Typen berechnet. Mehr dazu Fortschrittsindex Vereinbarkeit: Unternehmensbefragung 2019 | Projekt In mehr als 600 Unternehmen wurden praxisnahe und belastbare Kennzahlen zum Thema Vereinbarkeit aus dem Personalwesen erhoben. Mehr dazu Sozialberichterstattung des Freistaates Sachsen 2019 | Projekt Die Demografie in den Kreisfreien Städten und Landkreisen Sachsens entwickelt sich unterschiedlich, zeigt eine Prognos-Studie für das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz. Mehr dazu Altersvorsorgebedarf im Zeitverlauf 2019 | Projekt Prognos berechnete für die Jahrgänge 1960, 1975 und 1990 die erforderlichen Sparbeträge zur Sicherung des Lebensstandards. Mehr dazu Langzeitpflege im Wandel 2019 | Projekt Prognos untersuchte Ansätze zur Weiterentwicklung der Pflegeberufe sowie Perspektiven für die Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) bis 2050. Mehr dazu Integration: Zusammenarbeit von Landkreisen, Gemeinden & Städten stärken 2019 | Projekt Für die Robert Bosch Stiftung führte Prognos einen Workshop mit Integrationsakteuren aus Landkreisen, Gemeinden und Städten durch. Mehr dazu Freibetrag für Renten bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 2019 | Projekt Die Zahl derjenigen, die auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sind, ist kontinuierlich gestiegen. Ein Freibetrag für gesetzliche Renten könnte vielen von ihnen helfen. Mehr dazu Fortschreibung der Sozialstrategie im Landkreis Lörrach 2019 2019 | Projekt Die Prognos AG hat den Landkreis Lörrach dabei begleitet, seine Sozialstrategie neu auszurichten. Mehr dazu Adobe Stock - CleverStock Über Prognos Wir geben Orientierung. Prognos ist eines der ältesten Wirtschaftsforschungsunternehmen Europas. An der Universität Basel gegründet, forschen Prognos-Expertinnen und -Experten seit 1959 für verschiedenste Auftraggeber aus dem öffentlichen und privaten Sektor – politisch unabhängig, wissenschaftlich fundiert. Mehr erfahren